Würde man der Natur ihren Lauf lassen, dann hätte ein Kind erst mit vier oder fünf Jahren von alleine gelernt, seine großen und kleinen Geschäfte zu kontrollieren.
Das sagen Fachleute. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass die Kleinen aber auch früher ohne Windeln auskommen.
Doch wann und wie wird der Nachwuchs am besten trocken?
Wie Kinder sauber werden können
Babys und Säuglinge tragen Windeln, weil sich ihre Blase und ihr Darm unwillkürlich entleeren. Erst ab einem Alter von zweieinhalb bis drei Jahren zeigt ein Gefühl dem Kind an, dass Harnblase oder Darm voll sind. Darum bringt es nicht viel, mit dem Töpfchentraining vor diesem Zeitpunkt zu beginnen. Für viele Kinder wird der Toilettengang zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag von ganz allein zum Thema. Sie beobachten ihre Umwelt sehr genau und fragen sich, was bei den Erwachsenen hinter verschlossener Klotür passiert. Ein guter Ausgangspunkt, um mit der Sauberkeitserziehung anzufangen.
Um seine großen und kleinen Geschäfte selbständig zu steuern, muss das Kind sich allerdings zunächst selbst als Verursacher von Handlungen erkennen können – sein Selbst entdecken, wie man sagt. Diese Entdeckung macht es ebenfalls mit etwa zweieinhalb Jahren. Sie wird begleitet mit den immer wieder kehrenden Sätzen „Ich kann selber.“ oder „Ich will...!“. Dass das Sauber werden in diese „Trotzphase“ fällt, macht es Eltern nicht leichter. Manchmal sitzt der Knirps dann auf dem Töpfchen und nichts passiert. Damit wollen die Kleinen ihre Eltern jedoch nicht täuschen. Wie bei allen Dingen, die sie neu hinzu lernen, wollen sie auch ihr Geschäft zu machen lustvoll einüben. Es ist für sie faszinierend, mit den Schließmuskeln zu spielen, die Vorgänge zu verlängern oder zu verkürzen – eben ihren Willen über die körperlichen Vorgänge zu erproben. Eltern sollten darauf gelassen und verständnisvoll reagieren. Gegenseitige Machtspielchen bringen das Sauberwerden nicht voran.
Eltern können helfen
Um es den Kindern leichter zu machen, sollten die Erwachsenen offen mit dem Thema umgehen. Indem sie dem kleinen Entdecker zunächst erklären, wie Essen und Trinken mit dem Auf-die-Toilette-gehen zusammen hängen. Oder das Kind einfach auf die Toilette mitnehmen. Besonders anschaulich ist eine Puppe, die es füttern kann und die anschließend ebenfalls ein Bächlein macht. Kinder, die von Anfang an gelernt haben, ihren Körper bewusst wahr zu nehmen, haben es einfacher. Sie sollten immer über ihre (körperlichen) Empfindungen sprechen dürfen und Dinge auch mal „beim Namen nennen“.
Eine große Leistung
Am besten funktioniert der Toilettengang beim großen Geschäft. Es meldet sich meist zur gleichen Zeit und viele Eltern wissen, wann ihr Sprössling muss. Sitzt das Kind auf dem Töpfchen, sollten Mutter oder Vater anfangs dabei bleiben. Da es sich nun als Verursacher erkennt, entwickelt das Kind auch Stolz für das Geleistete. Bei Erfolg ist ein ehrlich gemeintes Lob angebracht. Strafen – wie es alleine da sitzen oder extra lange in den nassen Windeln zu lassen – bewirken eher das Gegenteil: Das Kind wird nicht mehr sagen, wann es muss oder ob es in die Hose gemacht hat.
Wichtig ist auch eine angenehme Atmosphäre; das Kind muss sich wohl und sicher fühlen. Ein wackeliger Toilettenaufsatz, auf den es klettern muss, ist nicht besonders förderlich. Auch das Sauberwerden auf einer kalten Kindergartentoilette zu lernen, ist kein Kinderspiel. Darum kann es passieren, dass es Zuhause schon gut funktioniert, in einer fremden Umgebung wie Kindergarten oder Kaufhaus wiederum nicht.
Und nachts?
Auch wenn das Kind tagsüber schon sauber ist, braucht es nachts oft noch eine Windel: Ist die Harnblase noch nicht groß genug, kann sie nur geringe Mengen speichern. Doch nur eine sehr volle Blase erzeugt das Spannungsgefühl, das das schlafende Gehirn weckt. Es ist darum sinnlos und für das Kind belastend, wenn es abends nichts mehr zu trinken bekommt. Auch es aufzuwecken, damit es auf die Toilette geht, ist unsinnig – es soll ja lernen, selbst aufzuwachen. Steht das Töpfchen dann in Bettnähe, kann es zum Pipi machen schnell aufstehen.
Sauber werden braucht Zeit
Für die meisten Eltern ist das Sauberwerden ihres Kindes eine beschwerliche Phase. Doch sie sollten nicht auf den schnellen Erfolg hoffen. Eine Woche fleißig loben bedeutet nicht, dass sich der Nachwuchs nun immer frühzeitig meldet oder sogar selbständig das Örtchen aufsucht. Zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr wird es immer mal wieder einen „Unfall“ geben. Solche kleinen Rückschläge sind normal und keine böse Absicht. Auch wenn viele Gleichaltrige schon alleine aufs Töpfchen gehen. Das Kind muss lernen einen willkürlichen Vorgang willentlich zu steuern. Diese Reifungs- und Entwicklungsprozesse laufen bei jedem Kind individuell ab; die Altersangaben sind nur grobe Orientierungswerte. Ist das Kind gesund, wird es irgendwann sauber sein. Das kann bis zum Ende des vierten Lebensjahrs dauern.
Wenn es doch wieder passiert
Alle größeren Veränderungen können einen Rückfall auslösen: Ereignisse in der Familie, ein Umzug, Urlaub, die Geburt eines Geschwisterchens, Krankheit oder Eintritt in den Kindergarten... Solche „Herausforderungen“ können das Kind vom derzeitigen Entwicklungsthema „Sauber werden“ ablenken. Hat es mit vier oder fünf Jahren wieder ins Bett oder die Hose gemacht, sollten Eltern nicht in Panik ausbrechen sondern konsequent mit den Hilfestellungen wieder einsetzen. Auf keinen Fall schimpfen. Das Kind sollte wissen, dass das Ereignis erstmal nicht schlimm ist. Passiert es öfter, helfen Tagebücher nachzuvollziehen, was der jeweilige Auslöser gewesen sein könnte. Wenn Eltern jedoch alleine nicht mehr weiter wissen, sollten sie sich mit anderen Eltern austauschen. Wie läuft es in anderen Familien? Sie sollten sich keinesfalls als Versager einstufen. Gerne helfen auch Beratungsstellen oder der Kinderarzt.
Prof. Dr. Ulrike Zach
Entwicklungspsychologin
Fachbereich Sozialwesen an der Fachhochschule Oldenburg-Ostfriesland-Wilhelmshaven
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